INFORMATIONEN FÜR ELTERN
Kinder mit Winkelfehlsichtigkeit
Mögliche Auffälligkeiten:
Winkelfehlsichtigkeit – was ist das?
Winkelfehlsichtigkeit (Fachbegriff: Assoziierte Heterophorie) ist eine Abweichung vom idealen beidäugigen Sehen, die bei den meisten Menschen vorhanden ist, jedoch in vielen Fällen keine Probleme verursachen. In anderen Fällen führt dieser Sehfehler zu verschiedenen Auffälligkeiten.
Was man tun kann
Mit der seit Jahrzehnten erfolgreich durchgeführten Mess- und Korrektionsmethodik nach H.-J. Haase (MKH), früher ´Polatest-Methode´ genannt, kann überprüft werden, ob bei Ihrem Kind eine Winkelfehlsichtigkeit vorliegt. Aufgrund dieser Messung kann ggf. eine Prismenbrille angefertigt werden. Durch das Tragen einer solchen Brille wird versucht, die Auffälligkeiten zu vermindern oder zu beheben. Dies wird auch bei Legasthenie empfohlen, wenn eine Winkelfehlsichtigkeit festgestellt wurde.
Was erwartet werden kann
Nach unseren Erfahrungen kann erwartet werden, dass bestehende Anstrengungsbeschwerden wie Kopfschmerzen und Augenschmerzen meist recht schnell verschwinden oder zumindest verringert werden. Je jünger winkelfehlsichtige Schulkinder sind, wenn sie erstmalig eine Prismenbrille bekommen, desto eher werden wahrscheinlich die Auffälligkeiten abnehmen. Besonders bei Korrektionsbeginn in den ersten zwei Schuljahren entwickelt sich in überschaubarer Zeit sogar Freude am Lesen.
Da der Schulerfolg ganz wesentlich an die Lesebereitschaft und Lesefähigkeit gekoppelt ist, kann jede Verringerung der Leseabneigung positive Auswirkungen auf die Schulsituation Ihres Kindes haben. Unterstützt wird dies auch durch die nun zu erhoffende Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit sowie durch spürbar bessere Erfolge von Rechtschreibübungen.
Bitte…
Winkelfehlsichtigkeit ist keine Krankheit, sondern ein Sehfehler. Daher „heilt“ eine Prismenbrille nicht. Eine Prismenbrille korrigiert diesen Sehfehler jedoch nur während sie getragen wird.
Was nicht erwartet werden kann
In den meisten Fällen ist nicht zu erwarten, dass Ihr Kind durch das Tragen der Brille innerhalb weniger Tage oder Wochen von allen Problemen befreit wird. Dies gilt besonders, wenn Prismenbrillen erstmals nach dem zweiten Schuljahr getragen werden. Die Augen (besser gesagt: die Arbeitsgemeinschaft von Augen, Sehzentrum und anderen Teilen des Gehirns) Ihres Kindes haben sich über viele Jahre darauf eingestellt, den Sehfehler ständig per Muskelkraft ausgleichen zu müssen. Dadurch konnte zwar das beidäugige Sehen trotz vorhandener Winkelfehlsichtigkeit erlernt werden, aber dieses Gegensteuern kostet viel Kraft, die Ihrem Kind folglich an anderer Stelle fehlt.
Die Prismenbrille nimmt Ihrem Kind das Gegensteuern nun ab und sorgt genau zueinander passende Seheindrücke beider Augen. Die Augen müssen aber erst lernen, mit diesen neuen und besser zueinander passenden Seheindrücken umzugehen und können dadurch zu einer besseren Steuerung der Augenmuskeln zurückfinden. Dieser Lernvorgang kann eine gewisse Zeit dauern. Außerdem kann Ihr Kind durch das bisher gestörte Sehen spezielle Einstellungen und Verhaltensweisen entwickelt haben – z.B. als Ergebnis vieler Enttäuschungen in der Schule -, die auch nicht von einem Tag auf den anderen vergessen werden können. Bitte seien Sie mit Ihrem Kind geduldig. Erwarten Sie die ersten Erfolge nicht unbedingt spontan oder innerhalb weniger Tage.
Was Sie noch tun können
Durch die Prismenbrille erhalten zusätzliche gezielte Übungen und Therapien oft deutlich mehr Aussicht auf Erfolg als zuvor.
Dazu zählen beispielsweise:
Ergotherapie zur Verbesserung der Fein- und Grobmotorik, Rechtschreibtraining, Übungen zur Entwicklung des Zahlenverständnisses und der Mengenvorstellung, Spiele und Übungen zur Entwicklung der Konzentrationsfähigkeit, Verhaltenstherapie zum Abbau von aggressivem Verhalten des Kindes.
Achten Sie auch bei Geschwistern auf die beschriebenen Auffälligkeiten, insbesondere ob bereits vor Schuleintritt Schwierigkeiten beim Malen, Ausmalen, Ausschneiden bestehen. Die Erfolgsaussichten sind umso größer, je früher eine Winkelfehlsichtigkeit korrigiert wird.
Und wie geht es nach der ersten Prismenbrille weiter?
In den meisten Fällen wird sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase mit der ersten Prismenbrille ein Erfolg einstellen, der dauerhaft bestehen bleibt. In einigen Fällen können aber nach einer gewissen Tragezeit wieder Beeinträchtigungen auftreten. Dann sind neue Brillengläser sinnvoll. Solche Veränderungen der Messwerte können auftreten, wenn sich die fest eingewöhnten Ausgleichsbestrebungen der Augen erst allmählich durch längeres Tragen von Prismenbrillen vollständig lösen. Die tatsächliche Größe der Winkelfehlsichtigkeit wird dann erst nach dieser Entspannung erkennbar. Tritt auch nach längerer Tragezeit keine Verbesserung ein, dann sind die Beeinträchtigungen nicht durch die Winkelfehlsichtigkeit bedingt. In seltenen Fällen (ca. 2%) ist die Winkelfehlsichtigkeit so groß, dass eine Korrektion mit prismatischen Brillengläsern wegen deren Gewicht, Dicke und Abbildungsfehlern ungünstig ist. Dann kann alternativ eine Augenmuskeloperation in Betracht gezogen werden.
Was Sie noch wissen sollten
In der Fachwelt gibt es unterschiedliche Meinungen, ob und wie Winkelfehlsichtigkeiten korrigiert werden sollten. Prismenbrillen nach MKH, insbesondere bei Kindern, werden nur von wenigen Augenärzten befürwortet. Insbesondere die theoretischen Grundlagen der MKH werden kontrovers diskutiert. Das kann Betroffene verunsichern. Dem steht jedoch in der Praxis eine Vielzahl beeindruckender Erfolge mit Brillen nach MKH gegenüber. Dies gilt zwar nicht als wissenschaftlicher Nachweis für deren Wirksamkeit; aufgrund der Häufigkeit der Erfolge ist eine ausschließliche Placebo-Wirkung jedoch unwahrscheinlich. Ein streng wissenschaftlicher Nachweis besteht auch für viele andere etablierte Methoden bisher nicht.
Auf der Internetseite des IVBS finden Sie weiterführende Informationen zum Thema Winkelfehlsichtigkeit und Prismenbrillen.
Quelle: IVBS